Text 9:
Cicero, De finibus 3,64-66

 

Cic. fin. 3,64a
Cic. fin. 3,64b
Cic. fin. 3,64c


Cic. fin. 3,64d

Cic. fin. 3,64e
Cic. fin. 3,64f


Cic. fin. 3,65a
Cic. fin. 3,65b


Cic. fin. 3,65c

Cic. fin. 3,66a
Cic. fin. 3,66b

Die Welt wird nach Meinung der Stoiker vom Walten der Götter gelenkt; sie ist sozusagen eine politische und staatliche Gemeinschaft von Menschen und Göttern und ein jeder von uns ist Teil dieser Welt. Daraus ergebe sich als natürliche Folge, dass wir den Gemeinnutz dem Eigennutz vorziehen. Wie nämlich die Gesetze das Wohl aller über das von Einzelpersonen stellen, so ist ein guter und weiser Mann einer, der den Gesetzen gegenüber Gehorsam zeigt und sich seiner Bürgerpflicht bewusst ist, mehr auf den Nutzen der Allgemeinheit als auf die Interessen irgendeines Einzelmenschen oder gar auf seine eigenen bedacht. Ein Vaterlandsverräter verdient nicht mehr Tadel als einer, der den Nutzen und das Wohlergehen der Gemeinschaft preisgibt wegen seines Interesses an persönlichem Nutzen und an eigenem Wohlergehen. Daraus ergibt sich, dass Lob verdient, wer sein Leben für das Wohl des Staates opfert, weil uns das Vaterland mehr wert sein muss als unsere eigene Person. Und weil das viel gehörte Wort: "Meinetwegen mag nach meinem Tod die ganze Welt in Flammen aufgehen" als unmenschlich und frevlerisch gilt, ist das sicherlich die richtige Einstellung, dass man auch für die Nachwelt um ihrer selbst willen Verantwortung tragen muss. Aus dieser Grundeinstellung rühren auch Testamente und Vermächtnisse von Menschen her, die im Sterben liegen. Und weil ja wohl niemand in völliger Einsamkeit sein Leben verbringen möchte, selbst nicht bei einem grenzenlosen Übermaß an Genüssen, ist es leicht einzusehen, dass wir von Geburt an auf eine enge Verbindung mit Menschen , d.h. auf die naturgemäße Gemeinschaft hin angelegt sind. Wir fühlen aber auch von Natur den Drang, möglichst vielen nützen zu wollen, und zwar besonders durch Belehrung und Vermittlung der Grundsätze vernünftiger Lebensführung. Deshalb findet man nicht leicht jemanden, der nicht sein eigenes Wissen an den Nächsten weitergeben wollte. So haben wir eine Neigung, nicht bloß zu lernen, sondern auch zu lehren.